Bishorn am Wochenende 2018

Wo soll es am Wochenende hingehen, wenn in Deutschland 30 °C vorherrschen? Am besten in die Walliser Alpen auf über 4000 m! Dafür gönnen wir uns eine langwierige Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und Französisch-Nachhilfe auf der Cabane de Tracuit.

TourenProfil

Dauer
2 Tage
Zeitpunkt
Sept 2018
Gebirge
Walliser Alpen
Schwierigkeit
MITTEL/SCHWER
Gesamtstrecke
27 KM
Aufstiegs-HM
2.510 Hm

Tag 1 – Zinal – Cabane de Tracuit

10 km | ↑ 1600 Hm | ↓ 20 Hm | 5 h

Wir starten am Freitag 23 Uhr mit der Bahn Richtung Basel und erreichen nach vierfachem Umstieg mit DB und SBB den Bahnhof Sieders und nehmen noch zwei verschiedene Buslinien Richtung der von verlockenden 4000er Gipfeln nur so wimmelnden Walliser Alpen. Es ist unglaublich, dass wir die Zug- und Busverbindung alle erreichen und pünktlich zum Mittag in Zinal ankommen. Insbesondere die Fahrt auf den steilen, sehr schmalen und verschlungenen Bergstraßen lässt bei vorausgesetzter Höhentauglichkeit einen Fensterplatz auf der rechten Seite sehr empfehlenswert erscheinen. 
 
Wir stapfen im Regen und später im Schneegestöber bis zur Cabana de Tracuit (3256 m), die mich eher an eine Raumstation erinnert. Ingo trägt während des kompletten Aufstiegs tapfer das Seil und wehrt sich beharrlich gegen die von Thorsten und mir in regelmäßigen Abständen angebotene Unterstützung. Der obere Teil des Weges ist im Schnee mit arg abgelaufenen Schuhprofilen gar nicht mal so angenehm. Das Abendessen auf der Hütte schmeckt uns sehr gut auch wenn wir in Anbetracht der Preise eher zurückhaltend Getränke bestellen. Ich lerne bei Thorsten auch noch ein nettes Zitat von früheren Bergkameraden: „Wenn die anderen noch nicht mal auf der Hütte sind, sind wir schon lange strack!“ – ein durchaus verlockende Vorstellung, wenn es auch auf einer Schweizer Hütte sehr kostspielig anmutet. Die Aussicht auf das wolkenverhangene Abendrot ist für mich unvergleichlich berauschend! Was für ein Zauber! Ein besonders harter Hund schlägt kurz unterhalb der Hütte sein Zelt auf und verdient sich dafür großen Respekt seitens der Hüttenübernachtungsgäste. 

Tag 2 – Cabane de Tracuit – Bishorn – Zinal

17 km | ↑ 910 Hm | ↓ 2470 Hm | 9 h

Wir frühstücken mit allen anderen Bishornaspiranten um 5 Uhr und machen uns im knackig gefüllten Vorraum der Hütte fertig. Ich bedanke mich innerlich ganz herzlich bei dem umsichtigen Bergsteiger, der seinen Eispickel als raffinierte Stolperfalle vor das Schuhregal drapiert hat – statt ihn wie dafür vorgesehen im Eingangsbereich zu lagern. 
 
Wir gehen kurz darauf im dumpfen Schein unserer Stirnlampen den Katzensprung bis zur Anseilstelle kurz oberhalb der Hütte. Das Anlegen der Steigeisen und das Anseilen nimmt bei uns deutlich weniger Zeit als bei den übrigen Gruppen in Anspruch und so reihen wir uns ein in den Reigen der über 50 Gipfelstürmer, die alle das gleiche Ziel anpeilen: den Gipfel des Bishorns (4153 m). Uns peitscht beim Aufstieg über den vergleichsweise einfachen Normalweg eine ordentliche Brise ins Gesicht. Die windigen Verhältnisse führen auch dazu, dass die Spuren der vor uns noch in Sichtweite marschierenden Bergsteiger für uns schon nicht mehr sichtbar sind. Nach einem letzten kurzen aber etwas steiler gelagerten Aufschwungs direkt unterhalb des Bishorns bewundern wir die grandiose Aussicht auf die umliegenden Gipfel, darunter Dent Blanche (4357 m), Zinalrothorn (4221 m) und die Mischabelgruppe, die mich ganz besonders in ihren Bann gezogen hat. Besonders beeindruckend ist das direkt vor uns liegende und von einem luftigen Schleier umwaberte Weisshorn (4505 m). Die Weisshornüberschreitung ist eine ernsthafte Unternehmung und kommt definitiv auf die to-do-Liste der alpinen Traumtouren! 
 
Wir machen uns nach einer genussvollen Gipfelrast geschwind an die auf uns wartenden ca. 2500 Tiefenmeter, um den letzten möglichen Bus in Zinal zu erreichen. Wir kommen insbesondere am Anfang den Gletscher mit langen Sätzen herunterschwebend sehr gut vor indem wir die Bremswirkung des Schnees dynamisch nutzen. Erst beim Abstieg und kurzer Suppenpause in der Cabane de Tracuit erkennen wir die grandiose Aussicht aus der Gaststube, die uns am Vorabend aufgrund der Wetterbedingungen verborgen blieb. Das weitere Stück des Weges ist leider mehr durch Schneematsch gekennzeichnet und lässt mich mein abgelaufenes Sohlenprofil abermals verfluchen. Wir steigen in Zinal pünktlich in den Bus ein und müssen daraufhin lediglich beim Umstieg kurz zittern, da der zweite Bus bereits bei unserer Ankunft in Vissoie brechend vollgestopft ist. Wir quetschen uns hinein und haben Mühe uns irgendwo festzuhalten. Wir drei Bergsteiger haben sicher einiges zur überdurchschnittlichen olfaktorischen Belastung der Mitreisenden beigetragen. Dankenswerterweise funktionieren auch die fünf Umstiege in den Bahnhöfen der SBB und DB, sodass wir erschöpft aber zufrieden am Montagmorgen um 3 Uhr ankommen und noch ein wenig schlummern können, bevor es wieder auf Arbeit geht. 
 
Danke an Euch Kameraden für die geile Tour im Wallis und danke auch an die Mitarbeiter der Bahn- und Busbetriebe, dass die relativ lange An- und Abreise mit einer Vielzahl an Umstiegen reibungslos funktioniert haben!
  
Berg Heil!
Christian

Entdecke weitere Touren